Titel der Sendung: WDR 2 Bücher <BR>
Autor: Steven M. Brown <BR>
Titel: Glänze, Gespenst! <BR>
Rezensent: Michael Reinartz <BR>
Datum der Sendung: 08.06.2014 <BR>
Ein Missverständnis führt den Autor Steven M. Brown auf ein Kreuzfahrtschiff mit 3.000 schwulen männlichen Passagieren. Die Spaß-Gesellschaft an Bord nervt, trotzdem gelingt Brown eine humorvoll-philosophische Reportage. Ein Buch für die Ferien.
Die Handlung
3.000 schwule Männer gehen in Kalifornien auf ein Kreuzfahrtschiff. Mit dabei ist der ebenfalls homosexuelle Autor Steven Brown. Er soll und will hier auf hoher See eine Reportage über "Gay Crusing" erstellen. Eigentlich beruht die ganze Angelegenheit ja auf einem Missverständnis. Der Berliner Verleger Till Tolkemitt hatte in einer Zeitschrift einen Text von Brown gelesen in dem dieser beschreibt, wie homosexuelle Männer auf der Suche nach ebenfalls schwulen Männern über Parkplätze und durch Parks streifen, also "cruisen".
Bis vor kurzem hatte der in der ostdeutschen Provinz lebende Brown (aus Thüringen stammt sein Freund Linus, mit dem er zusammen lebt) noch gar nichts von der Existenz solcher Kreuzfahrten ("Sea Cruise") für schwule Männer gewusst. Jetzt aber befindet er sich auf der Gangway der "Splendor" (es handelt sich ausgerechnet um das Schwesterschiff der Costa Concordia!) und zwar mit äußerst gemischten Gefühlen. Der sehr sensible und sehr monogam lebende Schriftsteller reist nun also eine Woche lang mit Männern, die vor allem Spaß haben und Party machen wollen. Brown: "Wir befinden uns auf einem Schiff, auf dem die eine Hälfte zum Ficken hier ist und die andere Hälfte auch zum Ficken, aber angeblich nicht ausschließlich. Wenn das kein Sinnbild der menschlichen Existenz des Mannes ist, weiß ich es auch nicht."
Eine Aufgabe für Brown: Finde heraus, wodurch sich homosexuelle von heterosexuellen Kreuzfahrten unterscheiden. Das Ergebnis: Kreuzfahrten gehören zu den biedersten Arten des Reisens. Da spielt die sexuelle Orientierung eine untergeordnete Rolle.
Die Bewertung
Die humorvolle Beobachtung, die ironisch-distanzierte Beschreibung kommen in diesem Buch ganz sicher nicht zu kurz. Selbstredend bedient eine derartige Fahrt mit dieser Besatzung (die weiblichen Mitarbeiterinnen der Schiffs-Crew freuen sich, endlich einmal werden sie nicht ständig angebaggert) sämtliche Klischees, die man als "Normalo" so im Kopf hat. Da gibt es etliche wirklich komische Passagen in "Glänze Gespenst".
In Wirklichkeit aber handelt es sich um ein zutiefst melancholisches Buch. Brown empfindet das Schiff als "sinnlosen Ort", manchmal sogar als Gefängnis. Der Autor macht die Gefühle von Einsamkeit, die ihn auf dem Ozean beschleichen, öffentlich. Die "Splendor" bringt ihm eine ganz intensive Erfahrung von Oberflächlichkeit, an einer Stelle schreibt er über eine ausgelassene Pool-Party an Bord: "Alles was subtiler ist als eine Handgranate geht hier unter."
Er zieht sich in die Innerlichkeit zurück, reflektiert viel über sein Leben, die Liebe zu seinem Freund, seine Kindheit, seine Freundschaften, die Beziehung zu den Eltern. Hier hat "Glänze Gespenst" seine stärksten Abschnitte ¿ die für meinen Geschmack die witzigen Abschnitte übertreffen.
Träumend erinnert sich Brown auf hoher See inmitten einer angestrengten Spass-Gesellschaft an gemeinsame Ausflüge mit Linus in die Gegend rund um Weimar und Jena. Die alten Bierkeller von Weimar, in die niemals ein Sonnenstrahl gefallen ist, werden zu einem Sehnsuchtsort, während man beim Landgang in Mexiko auf "sterbenden Ponies" und mit auf dem Boden schleifenden Füssen die Dünen hinab reitet. Köstlich und poetisch!
Man bekommt auch Lust auf Urlaub. In der ostdeutschen Provinz! So gesehen ist dieses Buch ein guter Begleiter während der allmählich näher rückenden Ferienwochen.
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Medienkennzeichen:
Romane
Jahr:
2014
Verlag:
Berlin, Haffmans & Tolkemitt
Aufsätze:
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ISBN:
978-3-942989-66-4
2. ISBN:
3-942989-66-2
Beschreibung:
329 S.
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Mediengruppe:
Belletristik