Titel der Sendung: WDR 2 Bücher <BR>
Autor: Joseph O'Neill <BR>
Titel: Der Hund <BR>
Rezensent: Michael Reinartz <BR>
Datum der Sendung: 11.09.2016 <BR>
Der Hund" ist ein globalisierungskritischer Roman, aber keine eindimensionale Kapitalismuskritik. Joseph O'Neill setzt sich auf intelligente Weise mit einer komplizierten modernen Welt auseinander, meint WDR 2 Rezensent Michael Reinartz.
Die Handlung
Der namenlos bleibende Ich-Erzähler in dem Roman "Der Hund" von Joseph O'Neill arbeitet als "Familiy-Officer" bei der superreichen libanesischen Familie Batros. Eigentlich kommt er aus den USA und ist eher durch Zufall an den Job in Dubai gelangt. Sandro Bartos war mal ein Studienkollege des Ich-Erzählers, der ohnehin nach der Trennung von seiner Frau noch einmal irgendwo anders ganz von vorne beginnen will.
Jetzt also überwacht er das komplizierte, weltweit agierende Firmengeflecht von der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate aus. Er soll aufpassen, dass sich die Mitglieder des Familienclans nicht gegenseitig übers Ohr hauen. Doch vieles von dem, was er da tut, versteht der Ich-Erzähler (von Beruf ist er Anwalt) überhaupt nicht. Die Kommunikation mit den Clan-Mitgliedern verläuft meist als Einbahnstraße, die tägliche Arbeit im Einzel-Büro ist ziemlich surreal. Franz Kafka lässt schön grüßen.
Die Handlung beginnt im Jahr 2007, unmittelbar vor dem Ausbruch der Internationalen Finanzkrise. Zunächst kann sich der Protagonist noch ein megateures Appartment in einem extrem schicken Wohnkomplex leisten, dessen Wert schon bald darauf extrem schnell sinkt.
Es entwickelt sich die Story von einem unaufhaltsamen Abstieg. Als westlicher Ausländer in einem Scheichtum am Persischen Golf lebt man das Leben eines Außenseiters. Der Ich-Erzähler will sich zwar einerseits nach eigener Aussage nichts mehr zu schulden kommen lassen. Andererseits weiß er, dass mit seiner Hilfe Geld gewaschen wird. Die Stiftung, die er im Auftrag der Familie zu angeblich wohltätigen Zwecken gründen soll, ist selbstredend auch nicht ganz koscher. Ohne Zweifel aber ist die Unterschrift des Ich-Erzählers unter vielen Dokumenten sehr gefragt.
Man ahnt es schon: Aus dem befehlsempfangenden "Hund" wird irgendwann ein Sündenbock.
Die Bewertung
Dieses Buch besteht zum größeren Teil aus einem inneren Monolog des Ich-Erzählers. Hier analysiert der "Family Officer" permanent sich selbst, seine Situation und seine Stellung in der Welt. Diese Sequenzen sind teilweise SEHR analytisch und sehr philosophisch. Man muss sich darauf einlassen können und wollen. Dann aber ist die Lektüre lohnenswert, auch wenn man sich manche Passagen erarbeiten muss. Denn viele Gedankengänge des Ich-Erzählers sind äußerst präzise und interessant.
Neben seinem Hang zur Reflexion ist Joseph O'Neill auch ein witziger und humorvoller Erzähler. Zum Beispiel, wenn er das glamouröse Dubai in Kontrast setzt zu den gänzlich unglamourösen Problemen mit der Fäkalien-Entsorgung in der Mega-Metropole. Oder wenn er beschreibt, wie ein Mitglied der Familie den Treuhänder dazu verdammt, seinem verzogenen und verfetteten Sohn Tugenden und Werte zu vermitteln ¿ wozu sich die korrupte Familie selbstredend nicht in der Lage sieht.
Ein wichtiges Thema ist die Entfremdung des modernen Menschen von seiner natürlichen Umwelt und von seinen Mitmenschen. Natürlich kann sich der Ich-Erzähler seine sexuellen Bedürfnisse regelmäßig von teuren Prostituierten befriedigen lassen oder sich auf dem Luxus-Massagestuhl in der Luxuswohnung entspannen. Letztlich aber steht der moderne voll globalisierte Mensch, beziehungslos, heimatlos und einsam in der Welt.
Sicher: "Der Hund" ist auch ein globalisierungskritischer Roman. Aber es handelt sich hier keineswegs um die eindimensionale Kapitalismuskritik eines salonbolschewistischen Schriftstellers. Viel mehr um die intelligente Beschreibung und Auseinandersetzung mit einer komplizierten modernen Welt.
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Medienkennzeichen:
Romane
Jahr:
2016
Verlag:
Reinbek, Rowohlt
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ISBN:
978-3-498-05043-6
2. ISBN:
3-498-05043-5
Beschreibung:
314 S.
Originaltitel:
The Dog <dt.>
Mediengruppe:
Belletristik