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Titel der Sendung: WDR 2 Bücher <BR>

Autor: John Williams <BR>

Titel: Stoner <BR>

Rezensent: Michael Reinartz <BR>

Datum der Sendung: 15.12.2013 <BR>

 

Der Roman "Stoner" wird als einer der großen vergessenen Romane der amerikanischen Literatur gefeiert. Das Buch erzählt die Geschichte eines genügsamen Lebens, das wenig Spuren hinterlässt.

 

Die Handlung

 

William Stoner ist der Sohn eines armen Farmer-Ehepaars im Mittleren Westen der USA. Im Jahr 1910 beginnt er auf Wunsch seines Vaters, an der Universität von Missouri zu studieren. Natürlich soll der junge Stoner später wieder zurückkehren und die kleine Landwirtschaft übernehmen. Dieser tut zunächst so, wie ihm der Vater geheißen - und das ist ein Grundmuster im Leben des William Stoner. Mehr als einmal lässt er sich die wichtigsten Entscheidungen von anderen abnehmen. Ja, er lässt sogar zu, dass ihm seine bösartige Frau die eigene Tochter, die er so sehr liebt, völlig entfremdet. Und warum eigentlich bleibt Stoner trotz dieser grauenhaften Ehe all die Jahrzehnte mit ihr verheiratet?

 

So richtig glücklich ist er nur, wenn er Bücher liest oder über Literatur doziert. Denn ein guter Universitätslehrer ist Stoner dann durchaus doch geworden. Aber auch in seinem Berufsleben läuft vieles verquer. Im Alltag kann Stoner nicht recht kommunizieren. Ihm fehlt diplomatisches Geschick. Intrigen erkennt er grundsätzlich erst, wenn es zu spät ist. Um sich dann (fast) immer in sein Schicksal zu fügen. Stoner bleibt Zeit seines Lebens nur Assistenzprofessor - und sein Institutsleiter schikaniert ihn nach Kräften. Wobei Stoner selbst diesen Job hätte haben können! Ach, warum nur hat Stoner an den entscheidenden Weggabelungen so oft die falschen Weichen gestellt?

 

Die Bewertung

 

Der Erzähler lässt keinen Zweifel zu: William Stoner ist ein Gescheiterter. Das ist auch das Lebensfazit des Protagonisten selbst. Mit 42 hat er eine Liebesaffäre zu einer jüngeren Studentin. Zum ersten Mal erfährt Stoner, was Liebe wirklich ist. Die eher nüchterne Beschreibung der Affäre geht unter die Haut. Denn Autor John Williams ist ein wahrer Meister der Erzählkunst. Das zeigt sich auch in der Schilderung der liebevollen Vaterschaft von Stoner zu Töchterchen Grace, als diese noch ganz klein ist. All das trifft uns Leser mitten ins Herz. Denn Stoner gibt die Liebesbeziehung zur jüngeren Frau schicksalergeben und den Konventionen folgend auf. Sobald die Affäre öffentlich wird und man das von ihm verlangt. Womit die wohl schönsten Tage seines Lebens endgültig vorüber sind. Selbst als seine Tochter zur Alkoholikerin wird, kämpft er nicht dagegen an. Sondern freut sich sogar noch, Zitat: "Er war froh, dass sie wenigstens das hatte, dankbar dafür, dass sie trinken konnte."

 

Der mitfühlende Leser leidet mit. Manchmal so sehr, dass man das Buch für ein paar Minuten aus der Hand legen muss. Trotzdem kann man diesem schweigsamen, trotzigen Mann nicht einmal böse sein. Eine erstaunliche Lektüre-Erfahrung. Die kleineren und größeren Triumphe des William Stoner - die es ja schließlich auch gibt - gönnt man ihm dann um so mehr.

 

Und das ist das Schöne an solch gelungenen Romanen wie "Stoner" von John Williams: Sie zwingen uns dazu, innezuhalten und mal wieder etwas intensiver über das eigene Leben nachzudenken. Und dabei hilft dieses Buch bis weit über die letzte Seite hinaus! William Stoners Leben wird als unscheinbar, durchschnittlich, unspektakulär beschrieben. Aber ist der Mann wirklich auf ganzer Linie gescheitert? Und merken wir es denn immer selbst, wenn in unseren sicher auch nicht immer herausragenden Leben etwas aus dem Ruder läuft?

 

William Stoner ist gewissermaßen "einer von uns". Deshalb kommt uns diese Romanfigur in all ihren Unzulänglichkeiten auch so nahe.

Rezensionen